Mai 2003 Umweltbrief.org Geld regiert die Welt - wir sollten mitregieren _______________________________________________ Vom moralischen Handel(n) mit Geld. Aktien kaufen ist "in": 13,4 Millionen Deutsche besaßen laut Infratest im ersten Halbjahr 2001 Aktien oder Anteile an Aktienfonds. Das sind acht Millionen mehr als 1997. Trotz spektakulärer Kurseinbrüche scheint die Faszination, die vom Börsengeschehen ausgeht, ungebrochen. In letzter Zeit mehren sich allerdings auch kritische Stimmen. Experten warnen vor unkontrollierbaren Kapitalmärkten und vor der Überwertung von Unternehmen oder Branchen. Sie befürchten, dass sich der internationale Finanzhandel als globale Illusion erweist. Denn schließlich basieren von den 1,5 Billionen US-Dollar, die weltweit täglich den Besitzer wechseln, nur 2,5 Prozent auf realer Produktion und Warenhandel. Die vermeintliche Demokratisierung des Börsenhandels - jedem seine eigene Aktie - verschleiert, dass der größte Teil dieser Kapitalsummen, und damit auch Macht und Einfluss, sich in immer weniger Händen konzentrieren: Die reichsten 225 Menschen besitzen ebenso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Enttäuschte Anleger beklagen hohe Verluste und ziehen bis vor den Kadi, weil sie sich betrogen fühlen. Die wahren Verlierer und Opfer des Aktienbooms sind allerdings Andere: die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort bewirken die professionellen Pokerspiele einiger Börsianer Währungs- und Wirtschaftskrisen, die wie 1997/98 in Südostasien halbe Kontinente um Jahrzehnte zurückwerfen. Und am schlimmsten trifft es, wie so häufig, die Ärmsten der Armen. Preisexplosionen, Massenarbeitslosigkeit und sogar ein messbarer Anstieg der Kindersterblichkeit sind die Folgen des Börsenrausches. Also Hände weg von Aktien, wenn man solche Entwicklungen nicht unterstützen will? Ist jede Geldanlage ein Schritt im Tanz um das goldene Kalb? Geld anlegen heißt nicht Wucher treiben. Die Bibel äußert sich zum Geldverleih und zur Zinsnahme nicht eindeutig. Es überwiegen allerdings negative Aussagen - um Ungerechtigkeit gegenüber den Bedürftigen zu verhindern, denn der Gott des Alten und Neuen Testaments steht auf der Seite der Armen. Nicht zuletzt auf dem Hintergrund einer völlig veränderten Wirtschafts- und Gesellschaftsform sprechen sich heutzutage allerdings nur noch wenige Theologen grundsätzlich gegen einen Gewinn bringenden Geldverleih aus. Auch im Katholischen Kirchenrecht entfiel 1983 das Zinsverbot. An die Stelle von Verboten treten jetzt positive Kriterien. Im Sinne einer christlichen Ethik ist das gut, was die Schöpfung, also Mensch und Natur, bewahrt. Was dem Leben aller nützt und Gerechtigkeit fördert. Diese Prinzipien bieten Orientierung, wenn man sich auf das glatte Börsenparkett begeben will. Auch das Grundgesetz zielt in diese Richtung. In Artikel 14 heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Fördert eine Geldanlage das Leben, Mensch und Natur, die internationale Gerechtigkeit oder behindert sie eine zukunftsfähige Entwicklung? Trägt sie dazu bei, Lebensbedingungen zu verbessern, Arbeitsplätze zu schaffen, die Umwelt zu schonen? Das sind Fragen, nach der sich der ethische Wert einer Kapitalanlage beurteilen lässt. Wenn man sie denn beantworten kann. Denn meist bleibt undurchsichtig, wofür das investierte Geld eingesetzt wird oder an welchen Geschäften das vermeintlich saubere Unternehmen sich beteiligt. Bekenntnisse zu einer nachhaltigen Entwicklung erweisen sich oft als leere Phrasen, wie eine Studie von "Südwind - Institut für Ökonomie und Ökumene" belegt, die das Geschäftsverhalten deutscher Großbanken in mehreren Entwicklungsländern analysiert. Und in einer Broschüre des Bundesumweltministeriums zu Kapitalanlagen heißt es: "Manch einer ermöglicht mit seiner Geldanlage Aktivitäten, von denen er nachts Alpträume bekäme, wenn er sie genauer kennen würde". Transparenz und detaillierte Informationen sind also wesentliche Voraussetzungen, damit der Aktienkauf nicht zum unmoralischen Handel(n) wird. Investition statt Spekulation Für viele Menschen ist die hohe Rendite nicht der einzige Maßstab für eine attraktive Kapitalanlage. Fachleute prognostizieren, dass ethische Investmentfonds, die heute weltweit über 33 Milliarden US-Dollar verfügen, ihr Kapital bis 2005 verfünffachen. In Deutschland stieg das Volumen solcher Fonds zwischen 1998 und Herbst 2000 von 37 Millionen auf 1,3 Milliarden Mark. Die meisten ethischen oder ökologischen Fonds wenden sich an Menschen, die an Sicherheit und einer guten Rendite interessiert sind, aber beispielsweise Anlagen bei Firmen vermeiden wollen, die Rüstungsgüter herstellen oder die Umwelt schädigen. Die ethischen Investmentfonds orientieren sich an Indizes wie dem Natur-Aktien-Index (NAI) oder dem Dow Jones Sustainability Index (DJSI). Bei diesem Verfahren werden die aus sozialer und ökologischer Perspektive jeweils Branchenbesten als investitionswürdig befunden. Wer moralisch auf Nummer Sicher gehen will und dafür den materiellen Gewinn zurückstellt, ist besser mit fördernden Geldanlagen bedient. Hier investiert man direkt in ausgewählte Projekte oder Unternehmen. Diese Art der Kapitalanlage erlebt vor allem im Sektor "Erneuerbare Energien" einen kräftigen Aufschwung und ermöglicht in den Branchen Solar- und Windenergie inzwischen durchaus attraktive Renditen. Geld regiert die Welt, daran lässt sich nicht zweifeln - wohl aber etwas ändern. Die "Peanuts" der verantwortungsvollen KleinanlegerInnen summieren sich und veranlassen schon heute Unternehmen, auch international ihre Sozial- und Umweltstandards zu verbessern. Die beachtlichen Rücklagen der Kirchen könnten ethisch angelegt noch weit wirksamer Leben schützen und fördern. Nicht vergessen werden sollte schließlich auch der Einsatz für eine demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte oder für Instrumente wie die Tobin-Steuer. Eine solche sehr geringe Besteuerung aller Devisenumsätze würde kurzfristige Spekulationen unattraktiver machen, und die eingenommenen Milliarden könnten zur Verbesserung der Lebensbedingungen in armen Ländern dienen. Möglichkeiten, sich gegen blinde Renditesucht zu stemmen und statt dessen Geld in eine nachhaltige Entwicklung und eine gerechtere Welt zu investieren, gibt es also. Man muss es nur tun. Wenn nicht heute, dann wann? >>> http://www.umweltbrief.de/neu/html/geldtipp.html