August 2004 Umweltbrief.org Risikofaktor Erdöl! ___________________ Der Ölpreis ist auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren. Es ist aber nur ein Vorgeschmack auf die Zeiten, in der die Ölreserven den Bedarf nicht mehr decken. Die Abhängigkeit der Industrieländer und der Weltwirtschaft vom Ölpreis ist sehr Risiko-behaftet, denn Erdöl und Erdgas sind endlich. Nach gängigen Schätzungen wird beim heutigen Verbrauchsniveau Erdgas in ca. 60 Jahren, Erdöl in ca. 40 Jahren aufgebraucht sein. Aber vielleicht auch sehr viel früher, denn Schwellenländer wie z.B. China und Indien verbrauchen immer mehr (und stoßen damit schon jetzt viele Schadstoffe aus). Um den Bedarf an Erdöl zu befriedigen, werden die Golf-Staaten ihre Produktion bis 2030 um 250% steigern müssen. Doch die Folgekosten aus Umweltschäden und Klimaveränderung durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe sind überhaupt nicht zu beziffern. Und klimabedingte Katastrophen sind extrem teuer. Allein die Beseitigung der Schäden, die die "Jahrhundertflut" 2002 an der Elbe verursachten, hat den deutschen Steuerzahler ca. neun Milliarden Euro gekostet. Und die nächste Katastrophe dieser Art ist noch in diesem Jahr möglich [siehe Das Klima schlägt zurück]. Auch die enormen Risiken des Öltransports auf dem Wasser müssen mit einbezogen werden: so hat nur die Havarie des Tankers "Prestige" im November 2002 Kosten in Höhe von knapp 3 Milliarden Euro nach sich gezogen. Friedhof der Öltanker _____________________ Jährlich werden knapp zwei Milliarden Tonnen Rohöl und Ölprodukte über die Weltmeere transportiert. Die Bilanz der schweren Tankerunfälle der letzten dreißig Jahre, die Greenpeace veröffentlichte, ist lang und hässlich: insgesamt 22 Havarien, bei denen fast 2,3 Millionen Tonnen Öl ins Meer flossen. Der Handlungsbedarf war längst klar und 2001 beschlossen die International Maritim Organisation (IMO) und die Europäische Union (EU), dass alle Ein-Hüllen-Tanker nachgerüstet oder bis zum Jahr 2015 durch Schiffe mit zwei Hüllen ersetzt werden müssten. Grundsätzlich ist es unumstritten, dass eine zweite Schiffswand bei Kollisionen das Ausströmen großer Ölmengen ins Meer meistens verhindert. Im Wissenschaftsjournal Nature artikulieren Wissenschaftler und Umweltschützer aber jetzt auch ihre Bedenken: Tanker mit zwei Wänden sind nicht das Heilmittel für alle Probleme des Öltransports. Sie sind zum Beispiel aufwändiger in der Pflege, weil zwei Hüllen korrosionsfrei gehalten werden müssen, und zwischen diesen beiden Wänden können sich Gase bilden, was ein verstärktes Explosionsrisiko bedeutet. In Sachen Havarien sind sie prinzipiell sicherer, das gilt aber nur für Auffahrunfälle bei geringem Tempo. Wenn sie wie die Exxon Valdez 1989 (Bittere Bilanz: Keine Entschädigung für die Opfer, kein Schutz für die Meere, kein Ende der Ölpest in Alaska) oder zehn Jahre später die Erika (Dezember 1999: Schwarze Weihnacht - Ölpest an den Stränden der Bretagne) auf Grund laufen, die Kapitäne besoffen oder Terroristen am Werk sind, dann nützen auch zwei Wände wenig. Schiffe sind auch ohne Ladung noch giftig, denn die Hüllenfarbe enthält Schwermetalle wie Zink, Quecksilber, Kadmium oder Blei, dazu chemische Mittel gegen Fäulnis oder Rosten, die meist sehr toxisch sind. Im Westen ist das bekannt und die Arbeiter werden bei der Verschrottung auf dem Trockendock mit entsprechender Schutzkleidung und Masken ausgestattet. An den Stränden von Bangladesh, wo ungefähr 100.000 Menschen in dieser "Industrie" beschäftigt sind, klettern die Tagelöhner mit Badelatschen auf die Wracks und zerlegen alles ohne Handschuhe oder Atemschutz. Asbestschichten werden mit bloßen Händen aus den Verkleidungen gezerrt und hoch giftige Materialien in offenen Feuern direkt am Meeresufer abgefackelt. Es gibt zudem extrem viele Unfälle durch den Mangel an Gerüsten und anderen Schutzvorschriften. Die Greenpeace-Aktivistin Marietta Harjono kommentiert: "Es ist gut, die Transporte [von Schweröl] sicherer zu machen. Aber wir sollten uns darüber bewusst sein, ob wir die Verschmutzung nicht einfach nur verlagern. Es spielt keine Rolle, ob man eine Tonne Asbest exportiert oder sie als Teil einer Schiffkabine transportiert. Der Effekt ist der gleiche. Sie [die Schiffsabwracker in Asien] bezahlen mit ihrer Gesundheit, mit ihrer Umwelt und sie bezahlen mit ihrem Leben. Wir denken, das ist inakzeptabel." Mehr bei http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/17785/1.html Inakzeptabel sind darüber hinaus das Fördern von Öl, der Transport, die Weiterverarbeitung, die Lagerung, das Verbrennen als Treibstoff und die Kriege ums Öl! Die Alternativen dazu sind längst gefunden. Man muss sie nur auch fördern.