Oktober 2008 Umweltbrief.org Achtung Steuer-Identifikationsnummer ____________________________________ Seit dem 1. August 2008 werden die neuen sogenannten "Steueridentifikationsnummern" (Steuer-ID) verschickt. Bis zum Ende dieses Jahres erhalten alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein Schreiben mit ihrer persönlichen 11stelligen Steuer-ID. Diese Nummer gilt künftig nicht nur ein Leben lang, sondern sogar 20 Jahre über den Tod hinaus. Das ist ein rechtlich umstrittenes bzw. unzulässiges, aber vor allem sehr gefährliches Personenkennzeichen. Wobei sogar zu befürchten ist, dass diese Nummer über kurz oder lang im (elektronischen) Personalausweis übernommen wird und auch eine Implantation langfristig nicht ausgeschlossen ist. Unter der Steuer-ID werden alle möglichen Informationen über Sie künftig nicht nur bei Finanzämtern, sondern auch bei anderen Behörden, Arbeitgebern, Banken, Versicherungen und sonstigen Einrichtungen gespeichert und verwendet werden. Wehren Sie sich dagegen! Mehr bei http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12829 http://www.humanistische-union.de Wie Datenmissbrauch unsere Demokratie gefährdet _______________________________________________ Millionen Daten werden gestohlen, gehandelt, missbraucht - Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble lädt jetzt zu einer Sonderkonferenz über das Thema. Das ist zu wenig, zu spät, kritisiert sein Amtsvorgänger Gerhart Baum: Er wirft der Politik schwere Versäumnisse vor. Gerade der Staat ist mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Durch die Sicherheitsgesetze der Innenminister Otto Schily und Wolfgang Schäuble wurden die Persönlichkeitsrechte eingeschränkt und nicht ausgeweitet. Mit dem Ergebnis, dass die Sicherheitsbehörden immer mehr Daten unverdächtiger Bürger sammeln – Sozialdaten, Reisedaten, Bankdaten. Blickt man auf das gesamte Problemfeld, auch unter Einschluss der privaten Datenverarbeitung, ist die Lage noch viel brisanter. In seiner Rede zur Theodor-Heuss-Preis-Verleihung im April 2008 fasste der Datenschutzpionier Spiros Simitis die Situation wie folgt zusammen: Nahezu jede personenbezogene Angabe wird heute gesammelt und gespeichert. Früher für selbstverständlich gehaltene Speicherungsgrenzen sind endgültig entfallen. Die Verarbeitungstechnologie schafft alle Voraussetzungen für multifunktionale Verwendung und systematische Vernetzung der Datenbestände. Auch die Trennung öffentlicher und privater Datenbanken schwindet dahin. Es reicht danach nicht, den Einzelnen auf seine Datenherrschaft zu verweisen, also auf sein Selbstbestimmungsrecht. Er hat es in vielen Fällen überhaupt nicht, denn er weiß nicht, welche Spuren er hinterlässt und was mit diesen geschieht. So lagen in Großbritannien Millionen Datensätze von Bankkunden unverschlüsselt auf einer bei Ebay verkauften Festplatte, darunter Kreditkartennummern und sogar digitalisierte Unterschriften. Preis: schlappe 44 Euro. Verbraucherschützer berichten von einem Datenschutz-Skandal um 17.000 Bankkunden in Deutschland. Deren Kontodaten sollen auf CDs verkauft und missbraucht worden sein - die Experten raten, rasch Kontoauszüge zu überprüfen. Ein Unternehmen in Bremerhaven hat einer Insiderin zufolge monatelang Telekom-Kunden neue Verträge aufgeschwatzt und deren Daten weiterverkauft - der Konzern gibt an, nichts vom Missbrauch der eigenen Daten bemerkt zu haben. Und ein Callcenter-Mitarbeiter in Nordrhein-Westfalen bot 30.000 Datensätze zum Kauf an. Hüter der Verfassung waren in den letzten Jahrzehnten in vielen Fällen die Datenschutzbeauftragten, vor allem aber das Bundesverfassungsgericht. Am Anfang stand das Volkszählungsurteil von 1983. Es hat die systematische, maschinell gestützte Durchleuchtung der Bevölkerung und die Möglichkeiten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen verboten oder doch stark eingeschränkt. Heute nähern wir uns dem, um es populär auszudrücken: gläsernen, maschinenlesbaren Menschen. Das neue IT-Grundrecht muss zu neuen rechtlichen Regelungen führen, etwa beim Arbeitnehmerdatenschutz, bei virtuellen Festplatten, die bei Internet-Diensten angelegt werden und beim "digital rights management". Alles im allem ist es ein Armutszeugnis für die Politik, dass neue Schutzstrategien, wie sie von namhaften Experten seit Jahren vertreten werden, nicht Eingang in die Gesetze gefunden haben. Die unkontrollierte Verwendung personenbezogener Daten berührt und gefährdet letztendlich den demokratischen Charakter unserer Gesellschaft. Aus diesem Grunde darf nicht länger gezögert werden, eine umfassende Reform des Datenschutzrechts in die Wege zu leiten. Die Untätigkeit der Politik führt zur empfindlichen Freiheitsverlusten in unserer Gesellschaft. Mehr bei http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,575838,00.html http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,574470,00.html http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,571404,00.html http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,576087,00.html Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ________________________________________ AUF der Karte wird fast nichts gespeichert! Die Karte dient als SCHLÜSSEL zu einem gigantischen Computernetzwerk, dem sich künftig alle Arztpraxen, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Psychotherapeuten, alle ca. 300 Krankenkassen, Krankengymnasten, Sanitätshäuser und viele weitere Berufsgruppen des Gesundheitswesens anschließen müssen. Kritisiert wird die Karte aber auch, weil die Versichertennummer zu einem lebenslangen Identifikationsmerkmal mutiert. Hinzu kommt, dass das Foto des Versicherten auf der eGK abgedruckt wird. Obendrein soll das eingesandte Lichtbild bei den Krankenkassen abgespeichert werden. Mehr bei http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28711/1.html Datenschutz: Der Staat ist sauber _________________________________ Der "Callcenter-Daten-Fall" weitet sich aus, die Politik kann dem Thema Datenschutz derzeit nicht entgehen. Aber sie nutzt es, um einmal öfter die staatliche Datensammlung entweder gar nicht anzusprechen oder aber zu verharmlosen. Dr. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stellte kurzerhand fest, dass das Problem nichts mit staatlichen Datenhalden zu tun hätte. Big Brother lauert eher in der Privatwirtschaft als bei Vater Staat. Der Staat ist sauber, Teile der Privatwirtschaft leider überhaupt nicht. Geht man also davon aus, dass in diesem Fall "sauber" bedeutet, dass Datensparsamkeit, -sicherheit und -schutz beachtet werden, stellt sich die Frage, von welchem "Staat" Herr Dr. Wiefelspütz redet. Folgende Institutionen dürften dann jedenfalls nicht dazu gehören: BKA, Bundeswehr, Verfassungsschutz, Einwohnermeldeämter, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Bundesjustizministerium. Das Bundesdatenschutzgesetz ist nicht einfach so entstanden, es wurde von der Politik beschlossen - und die Lücken, die sich derzeit auftun, sind keine unbekannten Lücken. Vielmehr werden sie seit Jahren angesprochen, aber von den Verantwortlichen ignoriert. Mehr bei http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28579/1.html Automatischer Scan __________________ Huntertausendfach scannt die Polizei jeden Tag per Kamera Kfz-Kennzeichen und gleicht die Ergebnisse mit ihren Datenbanken ab. USA scannen jetzt alle zehn Finger: Ab jetzt müssen Ausländer, die am Washingtoner Flughafen in die USA einreisen, die Abdrücke aller Finger abgeben. Bisher wurden nur die beiden Zeigefinger gescannt. Und in Japan werden biometrische Daten von Ausländern für 70 Jahre gespeichert. "Wir werden aus hysterischer Terroristenfurcht mehr und mehr zu einem Überwachungsstaat, betreiben das Geschäft der Terroristen, indem wir das, was die Terroristen so hassen, nämlich den demokratischen Rechtsstaat, mehr und mehr schwächen, wobei wir es hinnehmen, dass ein Innenminister von Woche zu Woche die Angst antreibt. Ich sehe, wie bestimmte politische Leistungen der Nachkriegszeit, auf die wir eigentlich stolz sein könnten, ins Bröckeln geraten. Wir machen einen Kotau vor dem Terrorismus, indem wird die Grundrechte schmälern. All das ist Abrissarbeit am Gebäude der Demokratie, das wir mit sehr viel Mühe aufgebaut haben." Günter Grass