August 2002 Umweltbrief.org Treibhausgasminderung trotz AKW-Ausstieg ________________________________________ CDU und FDP wollen "Option Kernenergie" offenhalten. Die Enquete-Kommission des Bundestags zur "Nachhaltigen Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung" hält eine Minderung der Treibhausgas-Emissionen um 80 Prozent bis 2050 in Deutschland für machbar - "auch unter Berücksichtigung des vereinbarten Ausstiegs aus der Kernenergie". Der Bericht der Kommision ist gespickt mit Sondervoten: Ein Zeichen dafür, wie zerstritten die Experten der Parteien und die Sachverständigen waren. Einmütigkeit herrschte lediglich bei der Feststellung, dass das derzeitige Energiesystem nicht nachhaltig sei: Die heutige Energiebereitstellung und -nutzung negiere in großem Umfang Umweltkosten, betreibe Raubbau an knappen Ressourcen, schenke Risikoaspekten zu geringe Beachtung und grenze große Teile der Weltbevölkerung aus, heißt es im Abschlussbericht. Die Kommission hat insgesamt 14 Szenarien für eine Entwicklung der Energieversorgung in Deutschland erarbeitet. In dreien davon wäre eine Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 Prozent möglich: Das Ziel in den modernen Industrienationen zu erreichen hält die Kommission für erforderlich, um das Weltklima zu stabilisieren. Der Vorsitzende der Kommission, Kurt-Dieter Grill (CDU), sieht dagegen keinenWiderspruch zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Weiternutzungder Kernenergie. Die Unionsparteien und die FDP wollten die "Option Kernenergie" aufrecht erhalten, sagte Grill im DeutschlandRadio. Nach 2010 würden in Deutschland bis zu 50.000 Megawatt Kapazität benötigt, die nicht mehr über fossile Brennstoffe erzeugt werden könnten. Dann werde entschieden, ob man weiterhin auf Kernenergie setzen wolle. Aber auch Grill meint, die Erneuerbaren Energien würden bis zum Jahr 2050 "einen erheblich größeren Anteil an der Energieversorgung sowohl auf dem Stromsektor als auch im Wärmebereich" übernehmen. Um die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu mindern, müsse man die Ökosteuer erhöhen. [Nun doch!!! Anmerkung d. Red.] Im Mehrheitsvotum empfiehlt die Kommission, die gesamtwirtschaftliche Energieproduktivität müsse in den nächsten 20 Jahre um drei Prozent per annum wachsen. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien solle sich bis zum Jahr 2020 um das Vierfache und der Einsatz erneuerbarer Primärenergien um den Faktor 3,5 erhöhen, der durchschnittliche spezifische Endenergieverbrauch neu sanierter Altbauwohnungen müsse im gleichen Zeitraum auf 50 Kilowattstunden je Quadratmeter und der Flottenverbrauch neu zugelassener PKW auf 3,5 bis 4 Liter je 100 Kilometer fallen [Reduktion ist keine Lösung; nicht-fossile Brennstoffe müssen benutzt werden! Anm. der Red.]. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung für den nicht-nuklearen Energiebereich müssten um mindestens 30 Prozent bei gleichzeitiger Ausrichtung der Forschungsprogramme auf nachhaltige Technologien erhöht werden.Die Kommission empfiehlt darüber hinaus eine Weiterentwicklung des Erneuerbaren Energiengesetzes (EEG) und der Programme zur Markteinführung bzw. der Kreditprogramme sowie die Auflage eines spezifischen Fonds zur gezielten Einführungsunterstützung für die projektbasierten Mechanismen des Kyoto-Protokolls. Zusammenfassend heißt es im Bericht: "Die regenerativen Energiequellen mit ihren direkten und indirekten Nutzungsmöglichkeiten sind aus technischer Sichtgrundsätzlich in der Lage, alle heute und in Zukunft benötigten Sekundärenergieträger bzw. Nutzenergieformen bereitzustellen. Von den drei regenerativen Energiequellen solare Strahlung, Geothermie und Gezeitenkraft weist die Sonnenenergie bei weitem das größte Potenzial auf." http://www.ecoreporter.de/magazin/archiv/umweltaktien/020705enquete.shtml Es gilt zu bedenken: Die Atomwirtschaft hat bereits Stoiber gegenüber einen Rückzieher gemacht! Man ist froh, wenn man die "Entsorgung" der bestehenden Atommeiler und des radioaktiven Mülls noch finanzieren kann. Das Atomzeitalter geht definitiv dem Ende entgegen. Industrie blockiert internationalen Umweltschutz ________________________________________________ Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat den bekannt gewordenen Ausstieg des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) aus einer gemeinsamen Initiative für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik scharf kritisiert. Die so genannten "Grundsätze zur Stärkung von Umweltschutz bei Auslandsdirektinvestitionen" waren auf Anstoß des Bundesumweltministeriums (BMU) in einem 18-monatigen Dialogprozess zwischen Bundesregierung, Wirtschaft, Gewerkschaften sowie Umwelt- und Entwicklungsverbänden ausgehandelt worden. Sie sollten auf dem bevorstehenden Weltumweltgipfel von Johannesburg als deutscher Hauptbeitrag präsentiert werden. Das Verhalten des BDI sei ein Skandal und blockiere die umweltpolitische Vorreiterrolle Deutschlands. Dr. Angelika Zahrnt, Vorsitzende des BUND: "Auf den BDI ist kein Verlass. Monatelang haben wir mit ihm und anderen Verbänden verhandelt. Alle Beteiligten mussten Kompromisse eingehen, damit ein unterschriftsreifer Text zu Stande kommen konnte. Wenn der BDI es jetzt nicht fertig bringt, diesen Minimalkonsens zu unterschreiben, dann macht er sich als Verhandlungspartner in Zukunft unglaubwürdig. Nicht einmal ein Weltumweltgipfel kann den BDI dazu bewegen, freiwillig einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu tun. Deswegen müssen die Regierungschefs in Johannesburg jetzt den Mut zeigen, verbindliche internationale Regeln für die Wirtschaft auf den Weg zu bringen." Der BUND setzt sich derzeit mit der internationalen Kampagne "Don't let big business rule the world!" für eine globale Konvention zur Unternehmensverantwortung ein. Die Konvention solle grundsätzliche ethische Standards für wirtschaftliches Handeln festlegen. Dazu gehöre die Pflicht, dass Firmen umfassend über die ökologischen und sozialen Folgen ihres Tuns berichten. Betroffene müssten geplanten wirtschaftlichen Projekten zustimmen und im Streitfall die Konzerne in deren Heimatländern verklagen können. Anwohner und Gemeinden sollten außerdem ein verbrieftes Recht auf die natürlichen Ressourcen erhalten, die sie für eine gesunde und nachhaltige Lebensweise benötigen. www.naturreporter.de/magazin/archiv/RUBpolitikwissenschaft/020718BDI.php