Mai 2004 Umweltbrief.org Arbeit, Arbeit über alles _________________________ Eigentlich sollten wir ja alle froh sein, dass die Arbeitsgesellschaft, wie wir sie kennen, zu Ende geht - aber die Arbeitsgesellschaft kann sich mit ihrem Ende nicht abfinden. Zwangsarbeit für diesen ständig wachsenden Sektor der Gesellschaft ist ein offenes Thema. Der Druck muss um jeden Preis aufrechterhalten werden, damit nicht die Ahnung aufkeimt, es könne beim gegenwärtigen und noch zu erwartenden Grad der Automation zu einer rationalen Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit kommen, die ein nie da gewesenes Maß an Freizeit und Freiheit für alle ermöglichen würde - selbst unter der Voraussetzung, dass die Wertpumpen abgeschaltet werden, die die dritte Welt leer saugen. Grotesk, aber wahr: Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schickt sich der Kapitalismus an, die Utopie von einem Leben ohne Arbeit zu verwirklichen - und kann aus seinen eigenen inneren Zwängen heraus dieser Tatsache nicht ins Gesicht sehen. Mehr bei http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16721/1.html Wie sicher ist die Zukunft der Arbeitsplätze? _____________________________________________ Wirtschaftliche Erholungsphasen ohne eine genügende Zahl neuer Arbeitsplätze sind das besondere Kennzeichen einer auf Pump finanzierten Ökonomie. Niemand möchte das Risiko eingehen, wenn die Zinsen steigen, auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Dem angeblichen Mangel an qualifiziertem Personal steht heute eine dramatische Verschlechterung der Rahmenbedingungen gegenüber. Immer mehr Firmen überlegen sich, im Ausland zu produzieren und verlagern dorthin ihre Standorte. Die Verlagerung von Hightech-Arbeitplätze nach Indien und China ist für Hochlohnländer die ökonomische Höchststrafe, da es die oben erwähnten Krisengefahren verstärken wird. Zukünftig werden jedoch nicht nur Arbeitsplätze, sondern durch die neuen wirtschaftlichen Attraktoren auch das Kapital die Hochlohnländer in Nordamerika und Europa verlassen. Dies hat erhebliche Konsequenzen, denn ohne Konsumenten mit Arbeitsplatz gibt es keine Kaufkraft, ohne Kapital gibt es keine neuen Arbeitsplätze und ohne Wirtschaftswachstum keinen Abbau der Staatsschulden, die in den USA mittlerweile das gigantische Ausmaß von 34 Trillionen US-Dollar angenommen haben. Ein ähnliches Szenario gilt auch für Europa, welches ja bekanntlich die Grippe bekommt, wenn Amerika hustet. http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/17446/1.html Anhebung des Rentenalters und der Wochenarbeitsstunden? _______________________________________________________ Immer mehr Arbeitslose, die keine Abgaben zahlen, immer mehr alte Menschen, die immer länger leben und länger Rente bekommen als früher, relativ wenig Nachwuchs, der das ökonomisch durch seine Arbeit auffangen könnte, und vor allem immer weniger Arbeit. Die fortschreitende Vernetzung, die Rationalisierung der Produktionsprozesse und die Globalisierung erhöhen zunehmend die Folgewirkungen unerwarteter Entwicklungen. Was früher 10 Leute bewerkstelligten, schafft heute - Technik und Effizienz sei Dank - einer allein. In China gilt ein Stundenlohn von 60 US-Cent; Deutschland und USA sind 37mal so teuer! Die Arbeit wird knapp, für viele wird sie gar aussterben. Das ist die Situation zumindest in den (noch) führenden Industrienationen. Doch das ist erst der Anfang einer großen strukturellen Misere, die zwangsläufig auf uns zu kommt; vor allem, wenn weiterhin mit Scheinlösungen gearbeitet wird. Nun sollen die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre und die 42-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich die Lösung bringen. Auch Anreize zur Frühverrentung sollen abgebaut werden. Doch es gibt einen gravierenden Denkfehler: Wenn es immer weniger Arbeit gibt, wozu dann die Arbeitszeiten künstlich verlängern??? Große Firmen leisten sich Unternehmensberater und Effizienzer vom Schlage Mc Kinsey. Die Mc Kinsey-Teams beobachten und katalogisieren dann die Arbeitsleistungen der Belegschaft mit der Stopuhr und schlagen der Geschäftsleitung Konzepte vor, wie man mit weniger Mitarbeitern mehr Profit einfahren kann. Natürlich raten die Berater dazu, vornehmlich die älteren Arbeitnehmer möglichst bald loszuwerden. Das gelingt mit Hilfe des Vorruhestands, der Altersteilzeit etc., d.h. die Unternehmen machen mit dem Staat den Kuhhandel, ältere Mitarbeiter vorzeitig in die Rente zu entlassen mit der Zusage, dann verstärkt Jüngere einzustellen. Jedoch genau das entfällt einfach, die alten Arbeitsplätze werden nicht neu besetzt, man spart sie einfach ein. Dazu einige Zahlen von Dr. Peter Sander, Principal bei McKinsey & Company, Frankfurt am Main: "1950 produzierten in Westdeutschland 236.000 Mitarbeiter 14 Millionen Jahrestonnen Rohstahl, die Beschäftigungsspitze wurde 1960 mit 417.000 Beschäftigten bei einer Jahresproduktion von 34 Millionen Tonnen erreicht. Heute produzieren, im Vergleich zu 1950, weniger als halb soviel Mitarbeiter rund drei Mal mehr Stahl." http://idw-online.de/public/zeige_pm.html?pmid=60854 Es werden also allgemein mehr Gewinne mit (oder durch) weniger Arbeitnehmern gemacht. Wenn die Alten nun bis 70 arbeiten sollen, finden doch die Jungen noch weniger Arbeit! Die Bundesregierung beabsichtigt die Altergrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit anzuheben. Auch der Präsidentschaftskandidat von Union und FDP, Horst Köhler, sprach sich für längere Arbeitszeiten aus. Er sei fest überzeugt, dass die meisten Deutschen wüssten, "wie notwendig es ist, manchmal mehr zu arbeiten, wenn die Umstände es verlangen". [Kann er denn nicht warten, ob er überhaupt gewählt wird, bevor er Plattitüden bringt? Oder bastelt er in seiner Freizeit kleine Arbeitsplätze, der Merkel zu Gefallen?] Die Unternehmen hingegen haben daran jedoch gar kein Interesse, denn es geht ihnen nicht um Arbeitsplätze, sondern ausschließlich um Profitmaximierung (u.a. auch durch immer weniger Mitarbeiter). "Produktion und Geschäft basieren heute auf extremer Einfachheit, Effizienz und Geschwindigkeit" (Mc Kinsey-Doktrin). Auch die ebenfalls angestrebte 42-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich bringt keine Lösung für leere Rentenkassen und schon gar nicht für die Millionen von Arbeitslosen. Denn dadurch, dass einige mehr arbeiten müssen, braucht man jetzt noch weniger Mitarbeiter und andere können gar keine Arbeit mehr finden. Das angekündigte Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 1,7% entspräche in 2004 einer zusätzlichen Produktion gegenüber 2003 von Gütern und Dienstleistungen im Wert von circa 34 Mrd. Euro. Wohin fließen diese 34 Milliarden, wenn dadurch keine neuen, bezahlten Jobs entstehen? "Länger arbeiten vernichtet Arbeitsplätze, blockiert Neueinstellungen und nimmt damit Arbeitslosen die Chance, in Arbeit zu kommen", sagte DGB-Chef Michael Sommer zu Recht. Er fügte hinzu: "Die Verlängerung der Arbeitszeit allein im öffentlichen Dienst würde mehr als 100.000 Stellen vernichten." Klar, denn wenn alle im Unternehmen durch die 42-Stunden-Woche monatlich also einen Tag mehr arbeiten, kann und wird der Betrieb nach Mc Kinsey-Regeln einen Stellenabbau durchführen. Die 42-Stunden-Woche bringt also wieder mehr Profit - hier vornehm Wachstum genannt - für die Unternehmen, sprich: die Aktionäre! Aber wer hat schon etwas von diesem Wachstum, wenn er/sie nicht zu den Aktionären gehört? Und Steuern werden auch nicht mehr gezahlt, denn Großunternehmen zahlen keine Steuern mehr... Teilzeitarbeit und Umverteilung! ________________________________ Kann es erstrebenswert sein, dass schon in wenigen Jahren nur noch ca. 40% der Bevölkerung in 42-Stunden-Wochen bis zum 67sten oder gar 70sten Lebensjahr am Arbeits- und vor allem am Einkommensprozess teilhaben werden, während der Rest der Bevölkerung der Armut anheim fällt? Woraus soll das vielzitierte Wachsum entstehen, wenn der größte Teil der Bevölkerung der Kaufkraft beraubt wird? Wie will man die dadurch in Brand gesetzten sozialen Konflikte, die Gewalt und Kriminalität bestehen? Will man einen Klassenkampf oder gar eine Revolution heraufbeschwören? >>> 1.) Teilzeitarbeit einführen. Wenn im Kapitalismus Wirtschaftswachstum so wichtig ist, warum werden dann Millionen von Arbeitnehmern auf die Straße gesetzt, wenn es auch andere Möglichkeiten gibt? Durch Teilzeitarbeit können wieder größere Teile der Bevölkerung am Arbeitsprozess beteiligt werden. So bleibt die Kaufkraft einigermaßen gerecht verteilt und überhaupt erhalten; das verhindert auch soziale Konflikte! Nicht die 42-Stunden-Woche, sondern die 20-Stunden-Woche kann eine Lösung sein. Auch wenn Arbeitnehmer dadurch weniger Geld bekommen, sie können dafür ja auch weniger arbeiten und haben mehr Zeit für sich und die Familie. Und: ein geteilter Arbeitsplatz ist besser als gar keiner! Zumindest verhindert das Konzept der Teilzeitarbeit die komplette Verarmung weiter Teile der Bevölkerung, denn auch die Sozialhilfe ist keineswegs auf Dauer garantiert. Natürlich stören auch hier die Lohnnebenkosten wieder am meisten. Warum verzichten wir nicht auf die Besteuerung der Löhne und führen dafür eine reine Besteuerung von Ressourcen und ihrem Verbrauch durch?! Für Familien mit Kindern müsste dann das Kindergeld erhöht werden, um die Teuerung aufzufangen. In einem so zwangsläufig von Nachhaltigkeit geprägten Jahrhundert muss es ohnehin früher oder später so kommen. >>> 2.) Umverteilung gewährleisten. Seit 1980 sind die Bruttoeinkommen in Deutschland um 17% hinter der Produktivitätsentwicklung zurück geblieben. In diesem Umfang hätten die Einkommen also steigen können, ohne die Gewinne zu schmälern! Es findet demnach keine adäquate Umverteilung der Gewinne aus den Gewinnen des Sozialprodukts statt. In Zeiten der Globalisierung gibt der Shareholder den Ton an. Was aber wird aus den Bürgern, die keine Aktionäre sind und die in einer schon entstehenden Zwei-Klassen-Gesellschaft nicht an der Umverteilung der Gewinne teilhaben dürfen und dadurch ohne Geld und Arbeit sein werden? Das soziale und wirtschaftliche Desaster kann nur durch mehr Umverteilung der Gewinne aus dem Sozialprodukt vermieden werden. Und wie geht das im Spätkapitalismus? Wohl weniger durch Anhebungen von Löhnen und Gehältern, aber immerhin durch die Beteiligung der Belegschaften am Unternehmen und durch weitere Beteiligungen an anderen Unternehmen weltweit. Arbeitnehmer müssen endlich Shareholder werden (das erhöht übrigens auch die Motivation!). So paradox es klingen mag, auch Arbeiter müssen Aktionäre werden in Zeiten, in denen ihre Arbeit nicht mehr gebraucht wird und das soziale Netz sich langsam aber sicher auflöst. Nur so sind sie an den Gewinnen des Sozialprodukts noch beteiligt, nur so können sie überleben; ob werktätig, arbeitslos oder in "Rente" (was immer das mal sein wird). Schon ab 50 Euro monatlich kann jede/r in einem (hoffentlich ökologischen) Aktienfonds für seine/ihre persönliche Altersvorsorge ansparen und am großen Kuchen beteiligt sein. Dieses Geld ist langfristig allemal besser angelegt als in einem neuen DVD-Player, einer Digi-Cam, einem Foto-Handy oder was sonst so gekauft wird, um den persönlichen Frust zu schmälern. Von Ohnmacht zu Macht: Wenn Arbeitnehmer sich als Aktionäre an Unternehmen beteiligen, können sie in der Vielzahl Einfluss nehmen und gleichzeitig Gewinne abschöpfen. So wächst dann auch in der Bevölkerung die individuelle Verantwortung fürs Ganze und weltweit. Natürlich ist es gerade bei der Aktienanlage sinnvoll, auf die ethisch-soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu achten, denn Analysten sehen schon mittelfristig höhere Renditen bei nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen! Mehr in unserem Geldtipp