November 2010 Umweltbrief.org Traditionelle Landwirtschaft und Ernährung __________________________________________ Wie sich die Welt ernährt und wie sie Energie erzeugt, wird die Entwicklung im 21. Jahrhundert maßgeblich mitbestimmen. In diesen zwei Sektoren gilt es dramatische Reformen zu setzen, um die Zukunft der Erde und der Menschheit zu sichern. Zu diesem Schluss kommt das International Panel for Sustainable Resorce Management des United Nations Environmental Programme (UNEP). Industrielle Landwirtschaft fordert dem Planeten sehr viel ab und ist zudem abhängig vom Öl. Ein Rind verbraucht allein 300 Liter Öl. In der industrialisierten Landwirtschaft werden 10 fossile Kalorien in 1 Nahrungsmittelkalorie gepumpt! Gesund ist sie meist nicht – weder für Mensch, Tier und Natur. Die Hälfte aller Lebensmittel, die für die übersättigten Mägen der Industrieländer produziert wird, landet auf dem Müll – der größte Teil davon bereits, bevor er den Endverbraucher überhaupt erreichen kann. US-Wissenschaftler sagen, dass durch Vermeidung der grassierenden Lebensmittel-Verschwendung sich jährlich allein in den USA das Äquivalent von 350 Millionen Barrel Öl einsparen ließe! Die traditionelle Landwirtschaft war bis 1960 sehr aktuell Traditionelle Landwirtschaft setzt eine Vielzahl von angepassten Sorten ein und sorgt selbst für ihr Saatgut, indem welches aufgehoben oder getauscht wird. Die Traditionelle Landwirtschaft wurde in Laufe der Zeit durch die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft immer weiter zurückgedrängt und die machte die Landwirte immer mehr abhängig von internationalen Agrarkonzernen, die oft nur noch Saatgut mit Terminator-Technologie verkaufen. Auch der Beitritt zur EU hat die Entwicklung der traditionellen Landwirtschaft in eine andere Richtung gelenkt. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Landwirtschaft mehrfach Umstrukturierungen erfahren, neue Wege wurden eingeschlagen, neue Technologien wurden eingesetzt, Besitzsysteme haben sich geändert. Durch den ständigen Bedarf an Nahrung für Arbeiter in der industriellen Fertigung, die in Städten ständig weiterentwickelt wurde, bekam die traditionelle Landwirtschaft ihre eigene Bedeutung. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde von einer Generation auf die nächste Generationen übertragen, der bisherige Bauer ging auf das so genannte Altenteil, blieb aber auf dem Hof. Mehrere Generationen lebten problemlos zusammen und jeder half so gut er konnte bei der Arbeit. In der traditionellen Landwirtschaft wurde die Getreideernte noch mit Sense und Sichel durchgeführt, da war jede helfende Hand willkommen und notwendig. Erst mit dem Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen, die sich anfangs auch nicht jeder Landwirt leisten konnte, kehrten die ersten massiven Änderungen in der Landwirtschaft in Richtung Industrialisierung ein. Hinzu kam, dass sich die Bauern deshalb hoch verschulden mussten und viele Landarbeiter/innen ihren Job verloren. Nachhaltige LandwirtschaftPferde statt Traktor: Vier Pferde oder Ochsen vor dem Pflug machen ihre Arbeit genauso gut, aber sauberer und umweltfreundlicher. Wer als Bauer traditionelle Landwirtschaft betreibt, wird unter keinen Versorgungsengpässen (Öl, Gas, Saatgut, Nahrungsmittel), wie wir sie in diesem Jahrhundert zu erwarten haben, ernsthaft leiden müssen! Reformierte Landwirtschaft heißt Ausweitung der Nutzfläche, totaler Verzicht auf Gentechnologie und Pestizide, Fokussierung auf Familienbetriebe, ökologischer Anbau, Rückbesinnung auf traditionelle Landwirtschaft sowie auch urbane Gemüseproduktion. Nur wenn Verbraucher gesunde Nahrungsmittel fordern und kaufen, werden diese auch produziert! Kleinbauern machen satt und schützen die Umwelt _______________________________________________ Eine deutliche Absage an Monokulturen: Kleine Bauernhöfe sind laut einer aktuellen Studie von Forschern der University of Michigan der beste Garant für eine optimale Lebensmittelversorgung. Zudem tragen solche klein strukturierten Betriebe viel zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Bäuerliche Familienbetriebe sind eher in der Lage, nachhaltige Strukturen aufzubauen und danach zu handeln als die industrielle Landwirtschaft mit großen Monokulturen für Zuckerrohr oder Soja. Die einzige Chance sieht der Wiener Humanökologe und Umweltethiker Peter Weish in einer vielfältig, lokal angepassten kleinräumigen Form der Landwirtschaft. "Diese ist in der Lage, im Einklang mit biologischer und kultureller Vielfalt die Ernährungsbasis der Menschen zu sichern. Weltweit wächst die Einsicht, dass die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft nur auf dem Weg der Ökologisierung möglich ist." Kleinbauern tragen auch signifikant zur regionalen Ernährungssicherheit bei. Sie produzieren fast 40% des Getreides weltweit und über 70% aller Hirse, Knollengewächse, Früchte und Gemüsepflanzen in meist traditioneller Landwirtschaft. Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fünf Prozent der Energie verbraucht werden, die in der industriellen Landwirtschaft anfällt) würden wir statt einer Milliarde Hungernder, wie von der FAO nach der Ernährungskrise von 2008 geschätzt, heute mindestens drei Milliarden haben. Man muss zur Kenntnis nehmen: Trotz der gewaltigen Subventionen, die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Großkonzerne, die 96% des weltweiten Getreidehandels kontrollieren, für den Export erhalten, kommen nur elf bis zwölf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel. Kleinbauern, die einen Mix aus örtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (vor allem von kleinen Wiederkäuern und Geflügel) herstellen, bilden die Stütze der regionalen Ernährungssicherheit. Die Kapazität der Kleinbauern, Nahrung mit traditioneller Landwirtschaft zu produzieren, ist verblüffend. Das natürliche Umfeld und die Methoden, mit denen Kleinbauern auskommen müssen, also häufig trockene, nur von Regen bewässerte Äcker, Berglagen und küstennahes Schwemmland, werden von den großen agrotechnischen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen weitgehend ignoriert. Für jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert. Wie eine derartige Produktivität bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann, wird von der offiziellen Agrarwissenschaft kaum untersucht oder gefördert. >>>Die industrielle Landwirtschaft, die über 50% aller klimaschädigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie für jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht, erhält fast sämtliche Forschungsgelder und hat einen starken Rückhalt in der Politik. http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2599182 http://www.pressetext.de/news/100223027/kleinbauern-machen-satt-und-schuetzen-umwelt http://www.boku.ac.at http://www.umweltdialog.de/umweltdialog/publikationen/2010-06-28_Industrielle_Landwirtschaft_fordert_dem_Planeten_viel_ab.php http://www.boell.de/publikationen/publikationen-9165.html http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33516/1.html http://www.metropolis-verlag.de/dl/Katalog2010.pdf#page=55 Rinder sind übrigens keine Klimakiller: Rinder sind unverzichtbar für die Welternährung – durch ihren Beitrag zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und zur Begrenzung des Klimawandels: In nachhaltiger Weidehaltung haben Wiederkäuer das Potenzial, Kohlenstoff als Humus im Boden zu speichern. Die höchsten Emissionen gehen von der synthetischen Düngung der großen Monokulturen Mais und Sojabohnen aus. Sie verbraucht viel Energie und setzt Lachgas frei – 295 mal klimaschädlicher als CO2. Bäume im Ackerland ziehen nicht nur das Auge und Herz an, sondern sind vor allem ein Gebot der wirtschaftlichen und ökologischen Vernunft. Zahlreiche Studien zeigen, was die Vorväter schon immer wussten: Bäume sind die Dirigenten landwirtschaftlicher Ökosysteme. Ursprünglich wurden bei der traditionellen Landwirtschaft unterschiedliche Sorten an Getreide oder Gemüse angebaut, eventuell noch Vieh zusätzlich gehalten, und Obst gab es im bäuerlichen Garten noch nebenbei. Die Bebauung der Felder wurde abgewechselt, damit der Boden sich wieder erholen konnte, künstlicher Dünger kam erst später auf. Wichtig war, dass das eingesetzte Saatgut robust und wenig krankheitsanfällig war, aber trotzdem hohe und höchste Erträge brachte. Um Krankheiten zu vermeiden, wurde das Saatgut physikalisch gebeizt und haltbar gemacht. So hatte der Landwirt wieder sein notwendiges Saatgut für die nächste Vegetationsperiode. Ohne bestimmte Kulturpflanzen hätte es wahrscheinlich nicht die zivilisatorische (regionale) Entwicklung gegeben, die Europa, trotz der verheerenden Kriege, genommen hat. Man fand und züchtete (veredelte im ökologisch sinnvollen Kontext) Pflanzen wie Lein, Hanf, Raps, Äpfel, Johannisbeeren, Himbeeren. Oder nutzte ihr natürliches Vorkommen, wie das der Brennessel, der Hagebutte, der Zistrose, der Esskastanie oder der Walnuß. So fertigte man aus den Fasern von Hanf (Bast), Lein oder Brennessel über Jahrtausende Stoffe für Bekleidung, Verpackungen, Segeltuch. Leinöl (und auch Hanföl) war und ist die Basis für Farben, Holz- und Steinveredelung, sogar Beschichtung. Ohne Lein/Hanföl hätten die großen Meister von Da Vinci über Breughel und Van Gogh keine „Lein“-wand sowie erst recht keine über Jahrhunderte haltbaren, selbsttrocknenden Farben gehabt, wie die Werke zeigen, die wir heute noch bewundern dürfen. Die Gesundheit der (zahlenmäßig) stark zunehmenden Bevölkerung wäre ohne Lein, Hanf, Brennessel, Waldbeeren, Nüssen und Samen gar nicht darzustellen gewesen, gerade in Zeiten unzureichender Hygiene. Alle o.g. Pflanzen und Heilkräuter, Sträucher und Bäume waren praktisch die Ärzte des Mittelalters, auch in weit früheren Zeiten schon. Ressourcenkiller Baumwolle __________________________ Die Baumwolle, die eben nicht in Europa zuhause ist, ist mit ihrem wasser- und pestizidverschlingenden Anbaumethoden ein Ressourcenkiller. Alle Produkte, die aus Baumwolle hergestellt werden, können ebenfalls auch aus Lein- oder Hanfpflanzen problemlos gefertigt werden, ebenso Füllstoffe, Dämmstoffe, Stabilisierungsstoffe… Vielerorts erblühen nun wieder Lein- und Hanffelder. Die Nachfrage wächst, denn beim Anbau dieser Pflanzen gibt es keine Ölteppiche auf dem Meer, die Transportwege sind kurz, da es in jedem mittel- und südeuropäischen Land viele Ölmühlen gibt. Ebenso Spinnereien und Webereien. Das Grundwissen und Know-how der Verarbeitung dieser Produkte ist in Europa noch vorhanden. http://www.news-und-trends.de/traditionelle-landwirtschaft.php http://jungle-world.com/artikel/2010/15/40733.html http://www.ithaka-journal.net/weizen-unter-kirschbaumen-agroforst-in-der-schweiz http://www.agrardebatte.de Der Freihof ___________ Ein Freihof ist eine Hofgemeinschaft von Familien, die überwiegend nicht auf dem Hof wohnen, wobei - diese Familien gemeinsam finanziell den Hof garantieren; - der Hof diese Familien dauerhaft mit Grundnahrungsmitteln versorgt; - der Hof zukunftsfähig produziert, also ökologisch und biologisch mit traditioneller Landwirtschaft Dadurch soll - die bäuerliche ökologische und biologische Landwirtschaft gefördert und ausgeweitet werden; - die Ernährung der Bevölkerung aus der lokalen Landwirtschaft auch langfristig sichergestellt werden (Zukunftsfähigkeit, Krisensicherheit). Konservierende Landwirtschaft als Erfolgsmodell _______________________________________________ Seit einiger Zeit ist der 54-jährige Bauer Elleman Mumba aus dem Süden Sambias auf den Titelblättern lokaler Zeitungen zu sehen und hat zudem auch unzählige Radio- und TV-Interviews gegeben. Der Grund für seine Popularität ist sein Mais-Anbau-Erfolg auf dem kleinen Stück Land, das er besitzt. Mit einer neuen Form der nachhaltigen Landwirtschaft hat er es geschafft, sich und seine Familie gut zu ernähren. Die Conservation Farming Unit – eine Landwirtschaftsorganisation in Sambia, die auch in der gesamten Region Südafrika tätig ist – hat es sich zur Aufgabe gemacht, Bauern mit einfachen Mitteln zu fördern, um den Ertrag zu steigern. Mehr als 160.000 Bauern in Sambia setzen nun auf diese Art der Landwirtschaft, bei der die Erde so wenig wie möglich gestört wird, natürliche Prozesse auch in der Düngung eingesetzt werden und rotierender Anbau von Feldfrüchten praktiziert wird, berichtet BBC. Einfache Mittel, optimiertes Ergebnis: Conservation Farming geht von der Prämisse aus, weniger zu tun, aber mehr zu ernten. Anstatt die ganzen Felder zu pflügen, wurden die Bauern dazu überredet, in speziell ausgehobenen Bassins zu pflanzen. Nur ein Zehntel der Landfläche wird dabei genutzt. Allerdings werden dadurch auch die Bodenerosion und das Auswaschen der gesamten Nährstoffe durch Regen verringert. "In dieser Saison habe ich 68 Säcke Mais geerntet. Das war genug, um die Familie zu ernähren und vier Stück Vieh zu kaufen", erzählt der Bauer. Wie viele Kleinbauern in Sambia besaß Mumba zuvor keinen Ochsen zum Pflügen der Felder. Er musste sich einen leihen. Das hat dazu geführt, dass die Felder oft erst viel zu spät bestellt werden konnten. http://www.dasjournal.net/news/135/ARTICLE/27422/2010-04-11.html