Juni 2009 Umweltbrief.org Ein nachhaltiges Wachtum ________________________ In immer kürzeren Zeitabständen müssen ein neuer iPod, müssen neue Kleider, Möbel und Automobile in die Haushalte. Und nicht wenige Forscher arbeiten daran, die Lebensdauer von Erzeugnissen in die Nähe der Garantiezeit zu verlegen. Wir sondern aus, was das Zeug hält und verschwenden, während andere Hungers sterben. Diese Perfidie muss ein Ende haben. Wir müssen zurück zu langlebigen Gütern, deren Erzeugung ein Minimum an Rohstoffen erfordert. Wir brauchen energiesparende E-Autos und die Chance, wertvolle Güter zu niedrigen Kosten reparieren zu können. Und wir müssen die Energie, die wir brauchen, im eigenen Land erzeugen (Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen schafft Sicherheit und bewirkt die Ausdünnung von Konflikten). Allein die letzten Gedanken könnten Heerscharen von Konstrukteuren beflügeln, völlig neue Produkte auf den Markt zu bringen. Was aber vor allem aus dem Kopf muss, sind der Mode-und Design-Wahnsinn sowie der zwanghafte Druck, ständig "besser" zu erscheinen als der Nachbar. Wir haben den Shareholder-Value durch ein optimiertes System aus Gewinn und Zukunftschancen abzulösen und dafür zu sorgen, dass ein fairer und effektiver Know-how-Transfer das Aufschließen der Schwächeren in dieser Welt sicherstellt. Nur höhere Energiepreise und der Verzicht auf «Dinosaurier-Technologien» werden Wirtschaft und Umwelt auf Dauer in Schwung bringen, erklärt Naturwissenschaftler und Autor Ernst Ulrich von Weizsäcker. In diesem Sinne habe auch die Finanzkrise ihr Gutes. Die heutige Dinosaurier-Technologie beim motorisierten Individualverkehr hat ausgedient. Das sieht man ja auch an der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Schließlich gehören große Autos und billiges Erdöl zu den wichtigen Ursachen für den Ausbruch der Krise. Dank dem billigen Erdöl konnten die US-Regierungen seit Reagan der amerikanischen Bevölkerung das Paradies auf Erden versprechen. Und dieses Paradies bestand dann darin, auf Kredit und mit niedrigen Zinsen ein Haus in 80 Kilometern Entfernung vom Arbeitsplatz zu bauen und die Strecke dorthin selbstverständlich mit dem Auto zurückzulegen, womöglich gar mit einem SUV, einer dieser als Lastwagen zugelassenen fahrenden Festungen. Erst als Chinesen und andere anfingen, das Erdöl dieser Welt ebenfalls zu beanspruchen, wurde das Öl so teuer, dass diese Häuser und diese Pendlerfahrten ökonomisch nicht mehr haltbar waren. Das war der Beginn der Subprime-Mortgages-Krise, die die Blase zum Platzen brachte. Der Staat muss einen langsamen Anstieg der Energiepreise organisieren. Lesen Sie das Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker bei http://www.beobachter.ch/natur/umweltpolitik/artikel/ernst-ulrich-von-weizsaecker_nur-spinner-klagen-ueber-das-ende-der-zivilisation/ Kritik am Konsumwahn ____________________ Sind Autos überlebenswichtig, Investmentfonds unverzichtbar? Die indische Umweltaktivistin und Physikerin Vandana Shiva war schockiert, dass die Regierung - um die sogenannte Wirtschaft am Laufen zu halten - den Menschen 2500 Euro Unterstützung zahlt, damit sie ihr Auto zerstören, damit die Industrie weiter Autos bauen kann. Aber woher kommt das Aluminium für diese Autos? Vandana Shiva arbeitet mit Gemeinden in Indien, die gegen Aluminium-Erz-Minen und gegen neue Stahlwerke kämpfen. Die Krise zeigt uns, das stetige Anhäufen von materiellen Dingen ist vorbei. Nun kann man entweder in Panik geraten oder man kann sagen, gut, dass das vorbei ist - nun kann ich mich darauf konzentrieren, ein wirklich glückliches Leben zu führen. Ein Interview mit Vandana Shiva bei http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,626287,00.html Der Verbraucher: das zwiespältige Wesen _______________________________________ Politik mit dem Einkaufswagen betreibt er, wenn er trotzt, zittern selbst internationale Konzerne. Andererseits muss er unter Verbraucherschutz gestellt werden, sonst wird er ganz und gar über den Tisch gezogen. Oder trägt er zur gegenwärtigen ökologischen und sozialen Misere etwa selber tatkräftig bei? Der Verbraucher als zu schützendes Wesen entsteht mit der modernen Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert. Verhandelten bis dahin Käufer mit einzelnen Bauern, Handwerkern oder Gewerbetreibenden auf Augenhöhe, sahen sie sich spätestens am Anfang des 20. Jahrhunderts immer größeren Unternehmen gegenüber. Die Machtverhältnisse verschoben sich. Aus der parallel entstandenen Arbeiterbewegung bildeten sich die ersten Vereinigungen, die Verbraucherinteressen wahrnahmen. 1962 formulierte der damalige US-Präsident John F. Kennedy in Anlehnung an die Civil Rights vier Grundrechte der Verbraucher, die auch heute noch gültig sind: § das Recht auf sichere Produkte § das Recht auf umfassende Information über Waren und Dienstleistungen § das Recht auf freie Wahl § das Recht auf politische Interessenvertretung der Verbraucher. Die gegen Ende der 1960er Jahre entstehende Umweltbewegung gab auch den Verbraucherorganisationen wichtige Impulse, zum Beispiel die Frage nach den ökologischen Folgekosten des Konsums. Verbraucher treten selbstbewusster auf: "Empowerment" heißt es heute, wenn das Stimmrecht mit dem Einkaufswagen lustvoll ausgeübt wird. An dem grundlegenden Spannungsfeld zwischen Verbraucher- und Wirtschaftsinteressen ändert das nichts. Wenn Verbraucher nicht kaufen, haben Hersteller ein Problem. Spektakuläre Boykotte haben gezeigt, dass auch große Konzerne durch Umsatzeinbußen zu Verhaltensänderungen bewegt werden können. Bekanntes Beispiel dafür ist der Boykott gegen Nestlé in den 1980er Jahren, mit dem Nestlé gezwungen wurde, die aggressive Werbung für Säuglingsmilchpulver in der Dritten Welt einzustellen. Andere Ansätze sind stärker auf eine strukturelle Änderung des Marktes aus. So setzt der Faire Handel auf gerechteren Welthandel, der Öko-Landbau auf eine andere Agrarwirtschaft. Damit ist der Verbraucher gefordert, sein Kaufverhalten nachhaltig zu verändern und auch einen finanziellen Beitrag zu leisten. Mehr bei http://www.bioboom.de/themen/30_macht_ohnmacht.htm